Gedichte des Monats (2008)
Januar: Seifenblase
Februar: Was willst Du denn hier!
März: Modalitäten
April: Beziehungsdrama
Mai: Haiku – gescheitert
Juni: Ode an die Öde
Juli: Der User
August: Oskar und die Berliner Rede
September: Überwacht
Oktober: (Jahres-)Zeitenwechsel in Bayern
November: Die Liebe und der Magen
Dezember: Meine Oma

Seifenblase (Januar 2008)
Ich schlief in meinem Bette ein,
schlief tief und fest gleich einem Stein.
Doch plötzlich schwebte ich im Traum
als Seifenblase durch den Raum.

Ich konnte alles um mich seh'n,
mich um die eig'ne Achse dreh'n,
da kam ein Windhauch und ich flog
durch's off'ne Fenster in dem Sog.

Hier draußen fühlte ich mich frei,
auf einmal war es einerlei,
warum, wozu – wohin, woher,
nichts störte und nichts wog mehr schwer.

Ich glänzte leicht im Sonnenlicht
auf meiner dünnen Außenschicht.
Der Druck ließ nach, ich stieg empor
direkt in Richtung Himmelstor.

Weit oben sah ich schließlich Dich,
so leicht, beschwingt und hoheitlich.
Dein Lächeln füllte mich mit Glück,
verlegen blickte ich zurück.

Ich wollte zu Dir in Dein Reich,
doch einer Seifenblase gleich
zerplatzte dieser schöne Traum.
Ich wachte auf in meinem Raum.
Was willst Du denn hier! (Februar 2008)
(Dialog zwischen Slam-Prolet und Moderator)
Ich will die Bühne rocken
und mit Worten zocken
will die Typen schocken,
die beim Bierchen hocken.
Ich bin unerschrocken,
läute Leuten Glocken,
geb ich auf die Socken,
bleibt kein Auge trocken.

Ich will Sprüche reißen
und die Show hier schmeißen,
werde Waden beißen
und auf Anstand scheißen.
Ich will mich mit heißen
Worten hier verschleißen
um mich rauszuschmeißen
muss man mich zerreißen.

Wow, Du bist richtig motiviert,
alter Schwede und Gesangsverein.
Aber schau Dich mal um:

Die Leute bleiben hocken,
sind nicht von den Socken,
diesen harten Brocken
kann man nichts entlocken.


Scheiß doch drauf!

Dann bleiben sie halt sitzen,
lachen nur bei Witzen
über Genitalien
oder Scheiss-Fäkalien.
Bei den feinen Spitzen
und Gedankenblitzen,
bleiben Meckerfritzen
auf den Ärschen sitzen.

Ich komm um zu motzen,
um mich auszukotzen
über blöde Fotzen,
die nur öde glotzen.
Ich will denen trotzen,
die nur kleckernd klotzen,
die nur Scheiße rotzen,
und mit Kacke protzen.

Also sach mal, das find ich
jetzt ein bisschen übertrieben!

Ich seh Dich hier nur schwitzen,
und leicht überhitzen.
Hast Du einen sitzen,
muss man Dir was spritzen?


Nee, nee Du,
ich will nur einfach klarstellen:

Ich werd nicht locker lassen,
werde allen krassen
Deppen was verpassen
bis sie ganz erblassen.
Primitive Massen
aus den untren Klassen,
können mich nicht fassen,
solln sie mich doch hassen!

Du kannst sicher knicken,
dass die Leute blicken,
wie wir Dichter ticken,
ich werd sie ersticken.
Meine Reime klicken,
meine Rhythmen kicken,
solln sie mich doch ficken,
in die Wüste schicken.

Und Du?
Du bist auch nur ne blöde Schwuchtel!

Was?

Ich tret Dir in die Glocken,
Du kannst mich nicht schocken
willst die Bühne rocken
und mit Worten zocken.
Doch die Leute hocken
noch, Dein Mund wird trocken
und Du kommst ins Stocken,
und Du kommst ins Stocken ...


Von wegen!

Ich lass es hier krachen,
werde Wellen machen,
einen Sturm entfachen,
keine halben Sachen.
Es kann nur verflachen
wegen meiner schwachen
Stimme. Du wirst lachen,
ich brauch Rachendrachen.

Och je, Du Armer,
hier hast Du ein Kräuterbonbon.
Aber jetzt sach ma ganz ehrlich:
Was WILLST Du denn hier?


Ich will ins Finale!
Modalitäten (März 2008)
Es war einmal ein Soll ,
das hegte einen Groll:
„Ich finde es nicht toll,
dass ich andauernd soll.”

Die Antwort gab das Muss :
„Jetzt red mal keinen Stuss!
Ein wirklicher Verdruss
ist, wenn man immer muss.”

Da kam sogleich das Will ,
das schrie sehr laut und schrill:
„Seid beide lieber still!
Ich kann nie, wenn ich will.”

Dass sich darauf das Darf
mit ihnen überwarf,
verurteilten sie scharf.
Ihm war's egal: „Ich darf.”

„Kollegen”, rief das Kann ,
„wir kommen alle dran,
weil jeder irgendwann
soll, muss, will, darf und kann!”
Beziehungsdrama (April 2008)
oder
Ich stelle (Dir nach),
Du legst (auf),
Er setzt (sich durch).

Ich kann es leicht belegen ,
bei Dir ist oft besetzt .
Verlassen hier im Regen
bestelle ich Dir jetzt:

Ich bin gar nicht verlegen ,
ich hab mich nur verstellt .
Versetz mich! Meinetwegen!
Wenn er Dir so gefällt!

Ich bin ihm unterlegen ,
denn ich bin untersetzt .
Du unterstellst hingegen,
ich wäre abgewetzt.

Das hör ich mit Entsetzen ,
hältst Du mich für entstellt ?
Mich so falsch einzuschätzen,
entlegen von der Welt?

Das muss sich erst mal setzen ,
bis es sich wieder legt .
Sich stellen kann verletzen,
so dass man's kaum erträgt.

Ich bin Dir ganz erlegen ,
ersetz mich lieber nicht.
Denn schließlich – Deinetwegen –
erstell ich dies Gedicht!
Haiku – gescheitert (Mai 2008)
Ochse: „Ja hi Kuh, du, hi Kuh,
 wie wär's denn mit uns beiden?”
Kuh: „Mann Ochs', lass mich in Ruh!
 Ich kann dich gar nicht leiden.”
Ochse: „Mensch Kuh, hör doch mal zu,
 was ich dir alles biete!”
Kuh: „Was willst du mit 'ner Kuh?
 Im Stall bist du ne Niete.”
Ochse: „Du blöde, blinde Kuh,
 denkst immer nur ans Eine.”
Kuh: „Man braucht's nun mal dazu –
 du weißt schon was ich meine.”
Ode an die Öde (Juni 2008)
Ich fand sie ziemlich blöde,
die wüste, leere Öde.
Denn wüst und öd und leer,
fiel denken ziemlich schwer.

Die öde, leere Wüste,
die niemand mir versüßte,
schien mir unendlich groß
und völlig einfallslos.

„Du schnöde, spröde, Öde,
verquere, schwere, Leere!
Du wüste Wüstenei,
Einöde (oder zwei?).

Du wöde, lüste Eere,
verleeste, wüde Öre,
so lüd und öst und weer,
du denkst ich kann nicht mehr?

Ich biete Dir die Stirne
und raucht mir auch die Birne,
es ist ja schon passiert:
Du hast mich inspiriert

zur ‘Ode an die Öde’.
Du bist gar nicht so blöde,
und wüst und öd und leer
bist du nun auch nicht mehr.”
Der User (Juli 2008)
Er saß ziemlich häufig
vor seinem Computer
und dachte oft wütend dabei:

„Warum tut er
nicht das, was er soll
sondern das, was er mag?”

Und trotzdem
benutzte er ihn jeden Tag.
Oskar und die Berliner Rede (August 2008)
Ihr räudigen Berliner,
ihr Hunde dieser Welt,
seid mit mir stolz, dass einer
wie ich hier heute bellt.

Mein Vater war ein Rüde,
sein Fell war dunkelbraun.
Er lebte voller Sehnsucht
hinter ‘nem Gartenzaun.

Die Mauern und die Zäune,
die er gesehen hat,
kennt ihr gewiss am besten
als Hunde dieser Stadt.

Das Beinchen dort zu heben,
wo man gerade mag,
von dieser Freiheit träumte
mein Vater jeden Tag.

Der Traum ging in Erfüllung
und das nicht nur für ihn,
auch ihr könnt heute pinkeln
in West- und Ost-Berlin.

Die Grenzen sind gefallen,
die Welt ist nun global:
Afghane, Irish Setter,
Malteser, ganz egal.

Es geht nicht mehr um Rasse
und nicht um Religion.
Denn jeder weiß, dass neue
Gefahrenherde drohn.

Wir lassen unsre Umwelt
noch vor die Hunde gehn.
Und Kampfhundterroristen
muss man zu häufig sehn.

Wir brauchen Hundefutter
für wirklich wenig Geld
und große Hundehütten
für alle in der Welt.

Dies gilt für alle Hunde
auf jedem Kontinent!

Ach noch was: Ich wär sicher
ein Super-Präsident.
Überwacht (September 2008)
No matter what I'm doing,
there's always public viewing,
egal was ich auf tu,
der Staat, er schaut mir zu.

Denn keiner wacht über uns,
wir werden überwacht,
keiner wacht über uns,
wir werden überwacht,
keiner wacht über uns,
wir werden überwacht,
keiner wacht über uns,
wir werden überwacht.

Über Nacht,
jeden Tag
kann der Staat
wenn er mag
bei den Bürgern spionieren,
Telefone infiltrieren,
die Computer infizieren,
uns komplett analysieren.

Lauter Daten,
die verraten
wie wir denken,
was wir treiben,
alle Fakten,
auch die Nackten,
und die Texte,
die wir schreiben,
und die Texte,
die wir schreiben
...

Potenziell
kriminell
ist jeder prinzipiell!
Potenziell
kriminell
ist jeder prinzipiell!
Potenziell
kriminell
ist jeder prinzipiell!
Potenziell
kriminell
ist jeder prinzipiell!

Keiner wacht über uns,
wir werden überwacht,
...

Ich glaube da ista,
der Innenminista,
er ist schon auf Vista
und Windows XP.

Da wütet im Wahn er
als Bundestrojaner,
sucht Anschlägeplaner
auf meinem PC.

Sollte er dort wirklich suchen
wird er ziemlich sicher fluchen,
weil ich selber nichts mehr finde,
ist das auch schon eine Sünde?

Statt die Daten mir zu klauen,
soll er doch in Google schauen.
Da steht alles über mich,
und auch über Dich und Dich,
Dich und Dich, Dich und Dich,
alles über Dich und Dich,
Dich und Dich, Dich und Dich,
...
alles über Dich und Dich.

Potenziell
kriminell
ist jeder prinzipiell!
...

Keiner wacht über uns,
wir werden überwacht,
...

Ich bin da Masta,
ich such nach Rasta,
ich mach Rastafahndung,
Verbrechen schreit nach Ahndung.

Eigentlich weiß jedermann,
dass Rastamann nur kiffen kann.
Kiffen ist Verbrechen,
Verbrechen muss ich rächen.
Und deshalb such ich Rastamann,
so wie das nur der Masta kann.

Ich bin da Masta ...

Potenziell
kriminell
ist jeder prinzipiell!
...

Keiner wacht über uns,
wir werden überwacht,
...

Wer von euch ist
der Terrorist?
Wer von euch droht
mir mit dem Tod?

Ich krieg euch schon,
mit Prävention,
denn bei Verdacht
wird überwacht.

Plötzlich lauern die Gefahren
dort wo früher keine waren.
Alle haben sich verschworen
und den Staat zum Feind erkoren.

Ich jedoch werd' ihn beschützen
und man wird mich unterstützen,
denn ich habe große Brüder
und die schauen auf euch nieder,
und die schauen auf euch nieder,
...

Potenziell
kriminell
ist jeder prinzipiell!
...

Keiner wacht über uns,
wir werden überwacht,
...

Einigkeit und Recht,
darum steht es schlecht.
Freiheit wird verbannt
aus dem Vaterland.

Sicherheit für Leib und Leben,
danach soll'n wir alle streben,
brüderlich, mit Herz und Händen,
doch man kann es drehn und wenden
wie man will, statt aufzublühen
wird des Glückes Glanz verglühen.

Deutschland, Deutschland über alles
brauchst du nicht Bescheid zu wissen
und auch wenn du alles wüsstest,
wär's kein sanftes Ruhekissen.
(Jahres-)Zeitenwechsel in Bayern (Oktober 2008)
Sommer, Sonne, CSU
ist doch alles was man will.
Kriegt man noch zwei Maß dazu
sind das schon ein paar Promill‘.

Für Prozente allerdings
trinkt man noch ein wenig mehr.
Oben, unten, rechts und links
noch zu trennen fällt dann schwer.

Man gibt Gas trotz Rauchverbot,
und fährt mutig an die Wand.
Aber man ist noch nicht tot,
es fehlt nur die linke Hand.

Trotzdem will man dominiern,
schwer ist nur die Partnerwahl.
Und um jemand zu verführn,
gibt man sich ganz liberal.

Dieser Bund wird wunderbar,
weil, trotz farblichem Kontrast,
man schon immer sicher war,
dass man gut zusammenpasst.
Die Liebe und der Magen (November 2008)
So viele Leute hört man sagen:
„Die Liebe, die geht durch den Magen.”
Nur selten wird man konfrontiert,
mit dem was da genau passiert.

Es wär ja schade, wenn die Liebe
die einzige da unten bliebe.
Und so – man atmet einfach ein –
sind Luft und Liebe bald zu zwein.

Allein von diesen beiden leben
können nur Tiere, deshalb schweben
kaum wahrnehmbar, gleich einem Hauch,
bald Schmetterlinge in den Bauch.

Das Herz, ganz eifrig schon am Klopfen,
will auch hinein, doch plötzlich tropfen
die Wände. Das ist Magensaft!
Wie hat es der hierher geschafft?

Die Speiseröhre, die steht offen
und alle sehen sehr betroffen
den Schmetterling, der nur noch schwimmt.
Der Magen selbst ist leicht verstimmt.

Der Liebe ist nicht mehr zum Lachen,
die Luft muss sich schon dünne machen,
denn nun strömt Nahrungsbrei herein
und nimmt den ganzen Magen ein.

Da geht die Liebe auf die Reise
zusammen mit zerkauter Speise,
bis sie zuletzt den Po erreicht
(wo später auch die Luft entweicht).
Meine Oma (Dezember 2008)
Ob in Forchheim oder Roma,
San Francisco, Oklahoma,
Napa Tal oder Sonoma.
Du bleibst immer meine Oma!
© Axel Horndasch